Einzelkämpfer für mich Allein
„Nach meinem Umzug in eine andere Stadt mit 21 Jahren, hat es mich so unerwartet und heftig erwischt wie nie zuvor. Ich war schon gut vertraut mit dem Gefühl der Einsamkeit. Schon über 10 Jahre kannte ich das Gefühl bis hin zum empfinden der Unsichtbarkeit. Doch nach meinem Umzug verlor ich jegliches Gefühl der Verbundenheit und des dazu Gehörens. Ich lief zum einkaufen, keiner grüsste, keiner kannte mich, ich kannte niemanden. Dabei hatte ich in dieser neuen Stadt eine Freundin, einen Job und sogar einen festen Freund. Diese Menschen kamen aber alle erst kurzfristig in mein Leben und kannten mich noch nicht lange. Das ging so weit, dass ich das Wort ‚allein‘ nicht mehr aussprechen konnte und mittendrin meine Stimme versagte. Ich wusste, ich brauche Hilfe. Ich konnte es nicht verstehen, nicht einordnen, ich wollte ja umziehen und mein tolles, neues Leben beginnen, doch ich stolperte unerwartet über meine eigenen Füsse.“
So oder so ähnlich gibt es Geschichten der Einsamkeit. Habt ihr euch schon einmal mit dem Gefühl der Einsamkeit befasst? Wie zeigt es sich, warum fühlen wir uns Einsam, wann tritt es auf, wann geht es wieder vorbei?
„If you are lonely when you’re alone,
you are in bad company.“Jean–Paul Charles Aymard Sartre
französischer Romancier, Dramatiker, Philosoph
Jeder der Einsamkeit kennt, weiss, dass es nichts mit Allein sein oder Langeweile zu tun hat. Unter Einsamkeit versteht man hauptsächlich einen schmerzlichen Mangel an Nähe oder gesehen werden, der über einen längeren Zeitraum besteht. Dieser brennende innere Schmerz, der dich unwirksam und ungeliebt fühlen lässt.
Gemeinsam Einsam, jeder für sich
Der Mensch ist ein soziales Wesen und darauf ausgelegt in einem Umfeld eingebunden zu sein, gebraucht zu werden. Doch unser Hirn ist sensibel und unsere heutigen sozialen Strukturen sind auf Freiheit und Unabhängigkeit ausgerichtet. Seit dem letzten Jahrhundert haben wir so viel Unabhängigkeit wie noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Doch in den letzten Jahrzehnten hat sich die Einsamkeit stark verbreitet. Wir treffen heute immer weniger Menschen persönlich. 1985 hatten wir durchschnittlich 5 Freunde, in 2011 sind es noch 2 gute Freunde.
In Großbritannien fühlen sich 60% regelmässig einsam und in den USA sind es 45%. Ich schätze, dass es in der Schweiz vergleichbar aussieht. Studien haben gezeigt, dass Einsamkeit jeden treffen kann. Es kann Introvertierte und Extrovertierte treffen. Den charmanten Menschen, der an jedem Anlass so gekonnt mit jedem reden kann. Aber auch scheue und zurückhaltende Menschen. Nichts kann dich wirklich vor Einsamkeit schützen, denn es ist ein Teil Deiner Biologie. Aber lies weiter…
Biologie der Einsamkeit
Das Gefühl der Einsamkeit ist eine Grundfunktion wie Müdigkeit oder Hunger. Besonders verständlich wird dies, wenn wir ein paar Jahrtausend zurück spulen. Der Mensch überlebte nur in Gruppen. Um Wärme, Schutz und Nahrung zu haben, mussten wir uns gruppieren und uns gegenseitig unterstützen. Allein zu sein, war gefährlich. Darum tut Ablehnung weh und darum ist Einsamkeit derart schmerzhaft. So sind wir darauf ausgerichtet, dass wir Verhalten ändern, das uns isoliert.
Wer dazu wenig Selbstwertgefühl, Angst vor Zurückweisung oder eine negative Lebenseinstellung (Glaubenssätze) hat, neigt noch eher dazu sich selber zu isolieren und sich in seinen negativen Gedankenmustern zu drehen und so die Unsicherheiten zu verstärken.
Einsamkeit ist immer noch gefährlich
Es ist also wirklich wahr, Einsamkeit fühlt sich schmerzhaft an und ist ein Problem, wenn es chronisch wird. Es führt zu Rückzug und fördert auch neue negative Erfahrungen. Wir achten uns immer stärker auf bedrohliche Signale und attackieren oder vermeiden sie, je nach Persönlichkeit. Schlussendlich wird das Umfeld kleiner, denn es ist schwierig mit einer Person umzugehen, die sich von Grund auf bedroht fühlt. Das überfordert oft auch die Mitmenschen oder gibt ihnen das Gefühl etwas falsch gemacht zu haben. Selber wiederum ist man misstrauisch und bekommt stetig bestätigt, dass sich niemand wirklich um einem bemüht.
Langfristige Einsamkeit hat aber nicht nur Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung, sonder auch auf unsere mentale Gesundheit (z.B. Depression). Dies führt im weiteren Verlauf auch zu physischen Erkrankungen. Studien zeigen, dass chronische Einsamkeit so schädlich ist wie 15 Zigaretten am Tag. Es führt zu emotionalem Stress und dieser führt zu vielfältigen Stresserkrankungen wie beispielsweise Bluthochdruck, verschlechtert das Immunsystem, beschleunigt den Alterungsprozess und fördert Alzheimer.
Falsche Brille
Unbemerkt in eine Einsamkeit zu rutschen, ist gerade bei jungen sowie bei älteren Menschen häufiger anzutreffen. Wahrscheinlich immer dann, wenn wir grössere Veränderungen in unserem Leben erfahren, wie in der Anfangsgeschichte beschrieben. Es ist aber wichtig, so schnell wie möglich die Entwicklung zu erkennen und sich Hilfe zu suchen. Denn die Zeit heilt Einsamkeit nicht, man muss selber aktiv werden.
Beginnen kann es ganz nachvollziehbar. Durch einen Umzug, durch eine Person, die man nicht so mag oder sich nicht angenommen fühlt. Wenn wir aber über Wochen, Monate oder gar Jahre nur noch wahrnehmen, dass die Mitmenschen desinteressiert sind oder man sich nicht auf Andere verlassen kann, dann wird das zu unserer einzigen Realität. Wir strukturieren mit unserem Denken unser Hirn.
Doch das Bild, dass es keinen kümmert, das kann trügen. Ein Mensch der sich chronisch einsam fühlt, verändert sein Verhalten und seine Sicht. Wir beginnen Situationen immer häufiger falsch zu interpretieren und übersehen gute Gesten und Kontaktversuche unserer Mitmenschen. Wir reagieren misstrauisch. Studien zeigen, dass unser Hirn in dieser Phase neutrale Gesichter als feindselig interpretiert. Was uns dann selbst-zentrierter und kälter reagieren lässt, als wir eigentlich sind.
Es ist jetzt!
Einsamkeit verändert also unser Verhalten. Also in erster Linie verändern wir uns. Irgendwie ist das auch logisch, denn die Wahrscheinlichkeit, dass sich plötzlich das ganze Umfeld auf einen Schlag oder innert kurzer Zeit komplett verändert, ist eher klein. Genau das ist auch unsere Chance. Wie schaffen wir es also aus unserem Sicherheitsmodus rauszukommen. Der ist ja aus gutem Grund entstanden – irgendwann.
Typische Verhaltensänderungen in Phasen der Einsamkeit sind: Telefonat nicht entgegennehmen, auf Nachrichten nicht antworten, weit weg von anderen Kollegen sitzen und Einladungen ablehnen bis keine Einladungen mehr folgen. Irgendwann wird die äussere Welt, zu der Welt, vor der du dich eigentlich schützen wolltest. Keiner, auch nicht die tollste Frau oder der charmanteste Mann wird stetig aus seiner Ecke gelockt, wenn sie nicht selber aktiv am sozialen Leben teilnehmen.
Also weg mit der Scham. Es ist wichtig zu Wissen, dass Einsamkeit weit verbreitet ist und es braucht genau dich etwas daran zu ändern. Es ist ein normales Gefühl und wir müssen als erstes akzeptieren, dass wir uns einsam fühlen. Wir können es nicht einfach ignorieren, sondern wir müssen die Ursache angehen und unser Verhalten korrigieren.
Wir müssen Achtsam werden auf was wir unsere Aufmerksamkeit richten und Situationen neu bewerten lernen. Sehen wir konstant nur die negativen Dinge? Könnte es auch anders gewesen sein? Was hat noch in die Situation rein gespielt?
Nutze gute Tage und werde aktiv. Durch kleine Schritte in die richtige Richtung, können wir neue positive Erfahrungen sammeln und etwas Vertrauen zurück gewinnen. Wir geben darauf acht, dass wir nicht zuviel in eine Situation hineindenken. Wir sollten berücksichtigen, dass wir Situationen noch anders bewerten als unser Umfeld. Vielleicht gibt es eine vertrauensvolle und ehrliche Person im Umfeld, der wir uns anvertrauen können. So können wir uns über unsere gegenseitige Wahrnehmung austauschen und andere Sichtweisen erfahren.
Es lohnt sich, für sich und sein Wohlbefinden einzustehen. Manchmal hilft es eine externe Fachperson einzubeziehen, um auf dem Weg Unterstützung zu bekommen. So wird auch das Umfeld entlastet und man kann offen sprechen ohne Gefahr zu laufen, jemanden im persönlichen Umfeld ungewollt zu brüskieren. Auch kann ein Coaching helfen um den Weg hinaus aus der Einsamkeit strukturiert anzugehen.
Wir können sofort starten, egal ob wir uns einsam fühlen oder nicht. Melde Dich bei Deinen Bekannten und Freunden. Zeige Interesse, teile dich mit und bleibe dran. Es mag manchmal anstrengend sein oder auch verunsichern, aber es lohnt sich.
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Sehr guet gschriebe mini liebi Fründin. Ich han di gern und hoffe du weisch, ich bin zwar nöd immer sichtbar, aber immer für dich da. Liebi Umarmig! Sandra